Underwater Love
Sie singt und lockt wie es ihr gefällt. Zu allen Zeiten hat der Mythos der Meerjungfrau die Seefahrer fasziniert. Und mich ohnehin.
Mit diesem erotischen Spuk irrte das ewig gleiche Meer die Sinne ausgehungerter Seefahrer. Das irisierende Fließen des Körpers unter der Wasseroberfläche, das wallende Haar, die fahle Bleichheit ihrer Brüste waren schon zu Homers Zeiten eine Verlockung. Odysseus überlebte die Begegnung mit einer Sirene durch seine Willensstärke, seinen Mut und eine Portion Gewitztheit. Mit Seilen an den Mast gebunden, der Mannschaft die Ohren mit Wachs verklebt, konnte er als Einziger auf dem Schiff den Gesang der Sirenen zwar genießen, sich aber nicht aus seinen Fesseln lösen. Und bewahrte so sein Schiff vor dem Schicksal jener Seeleute, die vor lauter Entzücken ob des Gesangs der Nymphen die Orientierung verloren und an der Küste zerschellten.
Seefahrer wie Henry Hudson, Amerigo Vespucci und Vasco da Gama hatten Homers Odysseus gelesen und schmückten nach ihrer Rückkehr aus neuen Welten ihre Geschichten mit Meerjungfrauen aus. Der Grund, warum ich heute darüber schreibe ist eine Anekdote, die ich über Christoph Kolumbus hörte, der sicher war, vor den Küsten Indiens zu kreuzen. Denn in mittelalterlichen Reiseberichten über den Fernen Osten hatte er von Meerjungfrauen gelesen, die dort leben sollten. Und so war er tiefster Gewissheit, Sirenen müssten ihm begegnen. Vor der Küste Haitis glaubte er sie schließlich erspäht zu haben. Was er wirklich sah waren Seekühen. Ein wenig enttäuscht notierte Columbus in seinem Logbuch: «Sie waren nicht so schön, wie sie beschrieben werden, denn sie hatten eher männliche Gesichtszüge.» Er sah, was er zu sehen erwartete. Und so unattraktiv sie ihm auch erschienen, ihre Existenz bestärkte ihn in dem Glauben, auf dem richtigen Weg nach Indien zu sein.
Amerikanische Wissenschaftler haben festgestellt, dass das Gehirn nur Sachen wahrnimmt, die es auch sehen will. Unser Hirn filtert und speichert eine Art subjektives Weltbild. "Warum wird beim Happy End im Film jewöhnlich abgeblendt?", fragt der große Tucholsky. Weil, wenn fortgesetzt, die ganze Erbärmlichkeit der Liebe sichtbar würde. Und wer will das schon. Nicht mal durch die schillernde Verzerrung einer Wasseroberfläche. Good reality is fiction.
Mit diesem erotischen Spuk irrte das ewig gleiche Meer die Sinne ausgehungerter Seefahrer. Das irisierende Fließen des Körpers unter der Wasseroberfläche, das wallende Haar, die fahle Bleichheit ihrer Brüste waren schon zu Homers Zeiten eine Verlockung. Odysseus überlebte die Begegnung mit einer Sirene durch seine Willensstärke, seinen Mut und eine Portion Gewitztheit. Mit Seilen an den Mast gebunden, der Mannschaft die Ohren mit Wachs verklebt, konnte er als Einziger auf dem Schiff den Gesang der Sirenen zwar genießen, sich aber nicht aus seinen Fesseln lösen. Und bewahrte so sein Schiff vor dem Schicksal jener Seeleute, die vor lauter Entzücken ob des Gesangs der Nymphen die Orientierung verloren und an der Küste zerschellten.
Seefahrer wie Henry Hudson, Amerigo Vespucci und Vasco da Gama hatten Homers Odysseus gelesen und schmückten nach ihrer Rückkehr aus neuen Welten ihre Geschichten mit Meerjungfrauen aus. Der Grund, warum ich heute darüber schreibe ist eine Anekdote, die ich über Christoph Kolumbus hörte, der sicher war, vor den Küsten Indiens zu kreuzen. Denn in mittelalterlichen Reiseberichten über den Fernen Osten hatte er von Meerjungfrauen gelesen, die dort leben sollten. Und so war er tiefster Gewissheit, Sirenen müssten ihm begegnen. Vor der Küste Haitis glaubte er sie schließlich erspäht zu haben. Was er wirklich sah waren Seekühen. Ein wenig enttäuscht notierte Columbus in seinem Logbuch: «Sie waren nicht so schön, wie sie beschrieben werden, denn sie hatten eher männliche Gesichtszüge.» Er sah, was er zu sehen erwartete. Und so unattraktiv sie ihm auch erschienen, ihre Existenz bestärkte ihn in dem Glauben, auf dem richtigen Weg nach Indien zu sein.
Amerikanische Wissenschaftler haben festgestellt, dass das Gehirn nur Sachen wahrnimmt, die es auch sehen will. Unser Hirn filtert und speichert eine Art subjektives Weltbild. "Warum wird beim Happy End im Film jewöhnlich abgeblendt?", fragt der große Tucholsky. Weil, wenn fortgesetzt, die ganze Erbärmlichkeit der Liebe sichtbar würde. Und wer will das schon. Nicht mal durch die schillernde Verzerrung einer Wasseroberfläche. Good reality is fiction.
brittbee - 16. Jun, 15:35
12 Kommentare - Kommentar verfassen - 0 Trackbacks
40something - 16. Jun, 15:37
"Good reality is fiction" - danke für diesen Spruch des Tages!
brittbee - 16. Jun, 15:42
Ich liebäugele damit, mein Blog umzubenennen.
burnston - 16. Jun, 16:49
sigi zimmerschied hat mal gesagt: "die realität hat doch die satire längst eingeholt".
davon abgesehen ist die meerjungfrau eine femme fatale, die seefahrer in den sicheren untergang zirzt. da ist es doch gut für chris c. wenn er die seekühe als nicht so attraktiv empfand und weitergesegelt ist. wer weiß, sonst könnt ich nachher gar nicht zu mcdonalds gehen.
davon abgesehen ist die meerjungfrau eine femme fatale, die seefahrer in den sicheren untergang zirzt. da ist es doch gut für chris c. wenn er die seekühe als nicht so attraktiv empfand und weitergesegelt ist. wer weiß, sonst könnt ich nachher gar nicht zu mcdonalds gehen.
L-9 - 16. Jun, 17:49
Ah das kenn ich. Hab mal nen Sehtest machen müssen und brav die Zahlen vorgelesen. Der Typ hat mich sehr komisch angeschaut und gemeint: "Sind Buchstaben".
glamourdick - 16. Jun, 18:11
so in the end it´s not what we see but how we see it. und dazu sagt meine lieblingsautorin joyce carol oates "states of mind are real enough". seekühe zu sirenen. jedem die seine.
mcwinkel - 16. Jun, 18:43
Die Realität ist nach wie vor meine härteste Droge. Und Cruiser Double-C (Chris C. hat mir Burnster ja leider vor der Nase weggeschnappt :)) Hatte wieder einfach nur zu viel Absinth im Blut. Und 1492 gab´s ja auch noch keine Tageslinsen...
@ Burnster: McD-Metapher -> 2 thumbs up :)
@ Burnster: McD-Metapher -> 2 thumbs up :)
burnston - 17. Jun, 10:01
at MC: hab dann gestern aber vor lauter weißwein wieder mal vergessen zu essen. aber heute is er dran, der mcd.
schroeder - 17. Jun, 15:00
Toller Bogen... von Homer zu den Seekühen, von Kolumbus zu Tucholsky. Und schön geschrieben. Mein Lieblingssatz ist aber Amerikanische Wissenschaftler haben festgestellt... da werd ich immer aufmerksam, wie beim Wörtchen eigentlich *hrhr*...
brittbee - 17. Jun, 15:26
Schroederchen, hübsche Floskel, oder? Ist doch wurscht, ob wissenschaftlich untermauert. Die Behauptung war so hübsch, da musste ich sie missbrauchen.
bittersweet choc - 17. Jun, 16:25
endlich: ich freue mich, dass du wieder da bist.
die "erbärmlichkeit der liebe" finde ich genauso erstaunlich wie seekühe und meerjungfrauen.
die "erbärmlichkeit der liebe" finde ich genauso erstaunlich wie seekühe und meerjungfrauen.
brittbee - 17. Jun, 16:42
Dass ich die Liebe erbärmlich finde erstaunt Dich? Vielleicht finde ich nur die Liebenden erbärmlich, so sicher bin ich mir schon wieder nicht mehr. Mich selbst natürlich eingeschlossen. Nun, vielleicht ist es nur eine Momentaufnahme. Kommen andere Zeiten, da tauchen dann die Worte "Taumel" und "Sturm" in dem Zusammenhang wieder auf....One fine day.
AlanTuring - 20. Jun, 08:55
"Good reality is ...?
... fiction? Allesquatsch.
hier gilt: "Good reality is Blog"
Deswegen hab ich Sie ge-blogrollt
<Uuuuaaaahhh! Duden Hilf!>
Ihr Seeblickpirat
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