20
Jun
2005

Madagaskar Tales

b0003053In meinem Bücherregal bewahre ich eine rote Fotokiste mit mehr als 30 fast identisch aussehenden Fotos vom Züricher Flughafen auf. Von dort nämlich ging das Flugzeug, mit dem ich Europa zum ersten Mal allein verließ. Die trunkene Stimmung, in der ich ohne Zögern einen ganzen Film von ein und derselben tristen Szenerie verschoss – Jumbos, Flughafentower, Follow me-Men, die auf regennasser Betonplatte ihrer Arbeit nachgehen -, verdankte ich der Aufregung ob der spontanen Reise in solch ein exotisches Land. Reiseziel war Madagaskar.

Geplant war ursprünglich ein Interrail-Trip mit Freundin Karen, der wegen einer Erkrankung in Karens Familie kurzfristig flach fiel. Und so saß ich frustriert auf den Holzstufen vorm Haus meines Onkels. Alle Freunde waren verreist, nur ich hockte hier im öden Heimatkaff. Da meinte Onkel H. ich könnte doch mal nach Madagaskar fahren. Dort hatte er jahrelang als Entwicklungshelfer gearbeitet und ein Waisenhaus aufgebaut.

Hm. Klang erst mal gut. Und als ich dann innerhalb von vier Tagen Flug und Visum bekam, was damals an ein Wunder grenzte, gab es kein Zurück mehr. Unfreiwilliger Sponsor war der Nazi-Opa. Er hatte mir im Frühling ein Sparkonto mit 5000 Mark geschenkt mit dem Hinweis, etwas Sinnvolles damit zu machen. Er dachte an Bausparvertrag oder Aktien, ich fand einen Trip nach Afrika as sinnvoll as Bee can be.

Ich hatte keine Ahnung, was mich erwarten würde. Madagaskar, das klang nach Lemuren und Pfeffer, Pest und Seefahrern und sehr fremd. Was ich vorfand übertraf meine kühnsten Erwartungen. Im Landeanflug auf Antananarivo sah ich die rote Erde und wusste, das wird eine Liebe für immer. Nach ein paar Wochen rief ich meine Mutter an und teilte ihr mit, dass Abitur und andere Banalitäten jetzt uninteressant wären, ich würde in Diego Suarez bleiben. Natürlich blieb ich nicht.

Aber die Sehnsucht nach einem Blick über den Horizont ist seitdem ungestillt. Ich will mal wieder eine Welt sehen, die mich irritiert und sich meinen Vorstellungen widersetzt. Heute ist wieder einer dieser Tage. Mit einer Compilation des Herrn Jazz beschalle ich das Büro und wünsche mich dahin, wo der Pfeffer wächst.

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jean luc - 20. Jun, 12:06

Naja, da kann man ja auch mit Euro bezahlen, oder. Kommt die ganze Vanille nicht von da? Ich habe eine so genannte Madagaskar-Palme im Wohnzimmer. Bei den Reisezielen gehört zu meinem unweigerlichem Interesse auch immer dazu, daß ich die Musik von da kenne und gut find'. Inseln haben sowieso einen sehr guten Reiz.

brittbee - 20. Jun, 12:10

Euro? Eher mit Zebu-Rindern. Ich habe auf einer Vanillefarm gejobbt und fand´s ganz toll. Was die Musik angeht, so ist Madagaskar wirklich ein Albtraum. Folkloristisches Valiha-Gedudel und wenn man Glück hat spielt mal einer "The Police". Einen guten Popstar haben sie. Trotzdem ein irres Land.

jean luc - 20. Jun, 16:22

Entschuldigung, so ist das in Wahrheit:

Für die französischen Überseegebiete (Départements d'Outre-Mer) Französisch-Guyana, Guadeloupe, Martinique und Réunion sowie für die Gebietskörperschaften (Collectivités Territoriales) Mayotte und St. Pierre und Miquelon ist seit 1. Januar 1999 der Euro die offizielle Währung.
brittbee - 20. Jun, 16:27

Du bist aber im Bilde...das macht Sinn, aber gewußt hab eich das auch nicht.
jean luc - 20. Jun, 16:33

Die machen doch auch so Akkordeon Musik? Kann mich nicht mehr erinnern.
Auf Maurice spielen sie jedenfalls «Séga».
bittersweet choc - 20. Jun, 12:12

nee, nee, bee, nichts mit pfeffer - jetzt bleibste erst mal hier und bloggst ;)
mutige britt, allein nach madagskar. ich habe auch eine zürich- erinnerung: mein allererster flug - nach mallorca, ich feigling.

todschick, dein neues bild!

brittbee - 20. Jun, 12:16

Hey bsc , I´m born to blogg, jeah! Werde am 2. Juliwochenende in HH sein, rocken wir dann? Mut wurde auf Madagaskar nicht benötigt, ich empfand Land und Leute tiefenentspannt. Mag sein, dass Schroeder widerspricht.
Das Bild musste mal ersetzt werden, Erdbeersaison ist ja langsam vorbei;-)
bittersweet choc - 20. Jun, 13:14

bingo - das passt! ich komme am 7. juli aus ibiza wieder und stehe frau piratin natürlich zur verfügung! kriegst meine tel.nummer an deinen web.de-account gemailt. ok? und wenn du magst, kannste mir unter zartbitterschoko@gmail.com genaueres mailen.
schroeder - 20. Jun, 14:33

Hab seinerzeit mein Visum auch so schnelle bekommen - mein Großonkel H. war Ehrenkonsul von Madagaskar .-) und as sinnvoll as bee can be...*hrhr* Anflug Tana... Liebe für immer. Klingt auch so toll... Bee, wenn ich mal endlich meine Madagaskar Story fortsetze, dann bekommt das mit der Liebe für immer noch mehr Bedeutung. Tiefenentspannt hin oder her... ich finds genau wie Choc sehr mutig!

brittbee - 20. Jun, 14:44

Schroeder, ich will mal unumwunden zugeben das dieser Beitrag ein Wink in Deine Richtung mir der Umzäunung einer mittelgroßen Kolchose war. Ich will das Ende Deiner Geschichte wissen!
Der Onkel Konsul saß nicht zufällig in Freiburg?
schroeder - 20. Jun, 15:04

huch?... der soll doch anonym bleiben dürfen. Aber ist ja auch nicht mehr im Dienst seit Jahren. Für ein Autogramm in meinem Pass hatte es aber noch gereicht *hrhr*

Gut, habe den Wink verstanden und nehme mir fest vor, bis zum Wochenende wenigstens Teil 3 zu veröffentlichen - wenn ich dafür hier auch hin und wieder mehr von deinem Madagaskar-Abenteuer zu lesen bekomme...
brittbee - 20. Jun, 16:11

Ich habe ja noch gar nichts erzählt...aber ich werde meine Kiste mit dem Seemannsgarn mal vom Dachboden kramen und entstauben.
glamourdick - 20. Jun, 14:36

jetzt singt es in meinem ohr unaufhörlich "wir lagen vor madagaskar-pest an bord-wasser faul" - dankeschön. den zürcher flughafen liebe ich, weil er eine "bye bye bar" hat. über die bye bye bar gibt es ein schönes lied, dies zu zitieren aber zu weit führen würde. nur eine zeile: "ich werd mich heute nicht betrinken, will dir nur zum abschied winken".
und wenn du noch einen schönen fremden ort suchst (wo es sich traumhaft segeln lassen soll): try the capverdean islands. jede insel anders, supernette insulaner, ein völkergemisch aus afrikanern und portugiesen, blonde neger (wenn man das mal so sagen darf) sogar. doll.
@choc:
sag nicht immer die insel mit "i" sonst muss ich bald weinen.

brittbee - 20. Jun, 16:10

Glam, gerade diese jene Stadt aus dem Lied, nämlich Diego Suarez, war seinerzeit Hafen für die äusserst knackige liebreizende Besatzung der "Gorch Fock" . Da konnte ich alte Seeräuberin mit nicht verkneifen, mal Hallo zu sagen, was gern gesehen war. Ich glaube, das hätte Dir auch gefallen;-)

Kapverden ist übrigens schon eine Weile auf meiner To-Do-List, bei Deiner Beschreibung bekomme ich noch böseres Fernweh.
@Glam and bsc- Die I-Insel schenke ich Euch.
jean luc - 20. Jun, 16:44

Als ich in Praia war, wollte ich erst wieder abreisen. Total heiß, dreckig und es riecht nach Urin und halt arme Leute. Mit einer gekauften Flasche Wasser offen über die Straße zu laufen ist dekadent, hab ich gemerkt.

Aber wenn man sich drauf einläßt, geht es gut. Ich würde da wieder hinfahren. Kann man aber nicht jedem empfehlen, weil im Prinzip ist da nichts - Sahelzone. Das Essen für Touristen muß importiert werden.
Sehr nette Leute...

Hier hab ich noch was zum Thema von vor paar Tagen: http://clignot.antville.org/stories/1140520/
glamourdick - 20. Jun, 16:53

matrosen... ein schöner alter mythos. heute sind die flugbegleiter in die mythischen matrosenhosen gestiegen und das zeigt, in was für einer zeit wir leben. zu einem matrosen hätte niemand saftschubse gesagt (und wenn, dann sicher nur einmal). aber ich will nicht meckern, schließlich habe ich lufthansa-verbindungen. aber meine seele ist ein schiff und mein meer die matrosen... oder wie sang sich das?
cabo verde: die inseln sind ja sehr unterschiedlich. ich war auf sal, das ist eine marslandschaft, und ich wollte trotzdem nicht mehr weg. die anderen inseln sind, da vullkanischen ursprungs, stärker bewachsen. und - ja - fast alles an nahrung wird importiert, deshalb ist es nicht gerade ein billigurlaub (was heißt, dass lebensmittel und essen gehen etwas soviel kosten wie in der hauptstadt).
brittbee - 20. Jun, 17:47

@ Jean luc
das klingt aber durchaus nach einem Reiseziel, das mich reizen würde. So abseits der Trampelpfade. Armut im Urlaubsort ist immer ein schwieriges Thema und da muss wohl jeder für sich einen Umgang mit finden. Ich werde mich noch mal in die Tiefen Deines Archivs begeben und das in Ruhe lesen.
@glam
Ganz ehrlich,ich habe noch nie eine ernsthaft attraktive männlich Saftschubse gesehen. Und die Sehnsucht nach einem Matrosen, der Monate auf See weilt ist doch viel spannender als ein Kerl der nur für einen Tag in Rio ist. Absence makes the heart grow fonder, oder wie Arboretum so schön ergänzte: I like you best when you´re not here.
Von einem Vergleich der Uniformen will ich gar nicht erst anfangen... Hautenges Weiss, wie soll das zu schlagen sein?
jean luc - 20. Jun, 20:49

Dann ist gut, ich sag ja nur.
Sal - da sind drei Dörfer, sonst gar nichts, da wächst auch nichts.
Dann war ich auf Santiago, das ist die afrikanischste Insel. Da hats mir dann gefallen. Da wächst bissel Mais selbst auf Verkehrsinseln. Die einzig asphaltierte Strecke ist die Landbahn vom Flughafen. Aber Praia hat mir nach Anlaufzeit gefallen. Würd ich auch gern wieder mal hin. Und gute Musik da. (Jetzt fahr ich ab und zu mal nach Rotterdam, CDs nachkaufen, da es da eine große Diaspora gibt.) Dann war ich auf Sao Viçente. Die trockenste Insel, da gibts nur Staub und nie Regen. Mit einer kolonial anmutenden, kulterellen Hauptstadt Mindelo. Bevölkerung ist nicht so afrikanisch da. Da hats mir nicht so gefallen. Von Mindelo kann man auf die nächste Insel übersetzen, die einzig auf der Nordwestseite ausnahmsweise tropisch bewachsen ist.

Der Irsinn ist, daß es da relativ teuer ist, obwohl die Leute kaum Geld zum Leben haben. Wenn die Regierung keine Getreideschiffe kommen lassen kann, dann müssen die hungern. Ist in der Vergangenheit vorgekommen. Typisches essen ist, riesen Thunfischsteak, tasse Reis, Portion Pommes und ohne Sose. Dat fandich immer ganz gut.
arboretum - 22. Jun, 15:56

Herr Glamourdick, mir scheint, wir haben dieselbe Anfälligkeit für Ohrwürmer. Wären Sie nochmals so nett und würden mir wie neulich schnell etwas anderes vorsingen?
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