Gestern Nacht rotierte mir zu viel durch den Kopf, als dass ich hätte in den Schlaf finden können. Kein noch so langweiliges Buch half und so warf ich Doku-Junkie noch schnell eine DVD mit einem Dokumentarfilm an und kuschelte mich ins Bett in der Hoffnung, darüber einzunicken.
Schlechter hätte mein Griff nicht sein können. Obwohl ich ihn schon mehrfach gesehen hatte war mir entfallen, wie großartig
„Easy Riders, Raging Bulls" von Kenneth Bowser ist. Der in 2003 von der BBC produzierte Dokumentarfilm basierend auf dem gleichnamigen Kult- Buch von Peter Biskind.
Tief taucht er ein in die turbulente Periode der späten Sechziger, als die alten Studiobossen Hollywoods ratlos erkannten, dass man mit Doris Day niemanden mehr hinterm Ofen hervorlockt und ihren Geschichten die Nähe zu Jugend fehlte. Drogen, Krieg, sexuelle Revolution und Hippies kamen in den Filmen nicht vor und das Publikum blieb fern. Als plötzlich Low-Budget-Filme wie "Easy Rider" Millionen einspielte, gab man einer rebellischen Generation junger Filmemacher Millionen von Dollars, damit sie ihre Filme machen konnten.
Mit Kreativität und wütender Energie revolutionierten Leute wie Martin Scorsese, Francis Ford Coppola, Dennis Hopper, Peter Fonda, Paul Schrader, Warren Beatty, Robert Altman, Sam Peckinpah, George Lucas und Peter Bogdanovich Hollywood innerhalb von ein paar Jahren. Sie erzählten ihre Geschichten mit Besessenheit und feierten ebenso. Es schien eine Zeit gewesen zu sein, in der alles möglich war. Obwohl völlig unerfahren im Filmemachen hatten sie doch ein Gespür für die Themen, die das junge Publikum bewegte. Geprägt vom Einfluss europäischer Filmemacher wie Fellini, Godard und Truffaut entstanden großartige Filme wie "Mean Streets", "Taxi Driver" oder "Midnight Cowboy".
Doch die Filmemacher arbeiteten keineswegs so wie die alten Studiobosse sich das vorstellten. Der Alltag war ein einziger Exzess. Drogenkonsum jeder Art auf wochenlange Parties war anfangs eine Quelle der Inspiration. Eine Riege junger Produzenten wie David Picker von United Artists und Robert Evans von Paramount waren filmverrückt und risikofreudig genug und gaben Youngstern wie Francis Ford Coppola Renommierprojekte wie „The Godfather“. Ihr Mut wurde belohnt.
Doch es konnte nicht lange gut gehen; Dennis Hopper selbst erzählt von der Produktion seines unsäglichen Flops "The Last Movie", dessen Dreharbeiten eine riesige berauschte Party war. Dies und die zunehmende Kommerzialisierung der einstigen Nische B-Movie setzten der wilden Ära ein Ende. Die Botschaft rückte in den Hintergrund und Entertainment wie Lucas´"Star Wars " und Spielbergs "Jaws" lösten den Autorenfilm ab.
Das dokumentarische Material ist unglaublich schön und die Filmausschnitte aus den sechziger und siebziger Jahren haben mir Lust gemacht, die einer oder andere Perle noch mal zu sehen. Ich kann mich nicht erinnern, jemals so viele hochkarätige Interviewpartner, die wirklich Intimes ausplaudern, in einem Film gesehen zu haben. Dennis Hopper, George Lucas, Roman Polanski, Sam Peckinpah, Robert Altman, Peter Fonda, Richard Dreyfuss und der große Kameramann Laszlo Kovacs sind nur ein paar der Protagonisten.
Toll! Ansehen!